Gutachten veröffentlicht zum Topthema 1: Verbraucher, Digitalisierung und Geschäftsmodelle
Verbraucher können noch keine digitale Energiewende erleben
Nachdem die vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Barometerprojekts beauftragten Gutachten zu den Topthemen 2 („Regulierung, Flexibilisierung und Sektorkopplung“) und 3 („TK-Netzinfrastruktur und TK- Regulierung“) bereits veröffentlicht wurden, mussten Interessierte auf das Gutachten zum Topthema 1 ähnlich lang warten wie auf die erste Zertifizierung eines Smart-Meter-Gateways (SMGw). Wir berichteten zu all diesen Themen hier.
Während der Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys), eigentlich einmal eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 umsetzend, mittlerweile zumindest schleppend angelaufen ist, stehen mit dem Deutschen Sonderweg weiterhin digitale Mehrwertdienste im Strombereich aus, die die neue Infrastruktur nutzen. Letztere zeichnet sich vor allem durch größtmögliche Sicherheit aus – birgt allerdings auch weitaus mehr Potential als digitale Plattform. Das nun erschienene Gutachten wollte die zahlreichen Geschäftsmodelle rund um iMSys sowie weitere Basistechnologien einmal aufzeigen, bewerten und Anstoß für weitere Entwicklungen geben.
Smart-Grid weiterhin Zukunftsmusik
Einer der Hauptgründe für den Rollout intelligenter Messinfrastruktur war und ist der Wunsch nach einem Smart Grid. Ein intelligentes Verteilnetz, dass mit der weiter steigenden Anzahl an sogenannten Prosumern und Flexsumern, einem steigenden Anteil dargebotsabhängiger erneuerbarer Energien umgehen kann. Dahinter steckt auch das Ziel, den Netzausbau so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Durch die Verzögerungen bei der Smart-Meter-Gateway-Zertifizierung ist dieser Wunsch weiterhin von der Realisierung in Deutschland entfernt, auch wenn es mit intelligenten Ortsnetzstationen und zahlreichen Insellösungen bzw. Pilotprojekten vielversprechende Ansätze gibt. Ohne ein echtes Smart-Grid allerdings müssen damit zusammenhängende Geschäftsmodelle auch weiterhin im Konzeptstadium verbleiben.
Einheitliche Standards fehlen
Als weitere Ursachen für die hinter den Erwartungen zurückbleibende Entwicklung und Vermarktung von Produktmodellen auf Basis der SMGw-Technologie nennt das Gutachten unter anderem das Festhalten an proprietären Lösungen, die zunächst schneller und wirtschaftlicher auf dem Markt verfügbar waren. Zahlreiche Anbieter haben sich hier hervorgetan, unterschiedliche Standards und Übertragungsformate wie LoRaWAN oder freie Funkfrequenzen nutzend, zum Teil gar den CLS-Kanal des SMGws umgehend. Diesen Anbietern kam die Verunsicherung in der Energiebranche daher vergleichsweise gelegen. Durch die anhaltenden Verzögerungen in der Verfügbarkeit weiterer zertifizierter Technologie ist momentan kaum abzusehen, dass dieser Trend bald durchbrochen würde.
Marktstruktur begünstigt keine Innovation
Das Gutachten nennt aber auch die Struktur des Marktes als ursächlich für das Ausbleiben aussichtsreicher Geschäfts- und Produktmodelle im intelligenten Messwesen. Ähnlich wie auf Verteilnetzebene existiert bei gMSBs eine kleinteilige Struktur mit zahlreichen kleinen und mittleren und nur wenigen großen Akteuren. Bei jenen ist der intelligente MSB nach wie vor nur ein Randgeschäft und besitzt keine große Priorität. Die Entwicklung und Vermarktung digitaler Produkte und Dienstleistungen auf SMGW-Basis hat daher mit wenigen Ausnahmen bei den meisten gMSBs bisher nur wenige Blüten getragen.
Weiterer Zeitplan und Stufen
So nüchtern die Analyse des Status Quo ist, so ernüchternd ist der Ausblick des Gutachtens. Zum einen wird der weitere Zeitplan der SMGw-Zertifizierung dargelegt, der als Basistechnologie zurecht als ursächlich für die aktuelle Situation befunden wird. Grundlage des Zertifizierungsverfahrens bilden dabei die jeweils aktuell veröffentlichten Schutzprofile und technischen Richtlinien (TR), welche den gültigen „Stand der Technik“ wiedergeben. Zur Beseitigung von Unsicherheiten will das BSI ein funktionales Geräteprofil G1 als Anhang zur TR-03109-1 veröffentlichen, um den unterschiedlichen Auffassungen sowie Irritationen in der Branche zu begegnen. Ein Beispiel für hoffnungsvolle Innovationen aus diesem Bereich ist die Definition weiterer Tarifanwendungsfälle (TAFs) im SMGw, die, wie beim TAF14, künftig eine hochgranulare Messung erlauben könnten und damit datengetriebene Geschäftsmodelle deutlich attraktiver machen würden.
Außerdem werden, wie auch in der Vergangenheit bereits angedacht, verschiedene Aktivitätsstufen der Energienutzung von Verbrauchern und Unternehmen möglichen Geschäftsfeldern gegenübergestellt. Hier geht es weniger um konkrete Produktmodelle als um das Anstoßen von Denkprozessen, wohin die Branche sich bewegen könnte. Die Stichworte E-Mobilität, Smart Home, Disaggregation uvm. dürfen da natürlich nicht fehlen. Mögen Sie, sobald sich auf dem Feld der Regulatorik einmal ein gewisser Fortschritt sowie eine größere Verlässlichkeit eingestellt hat, tatsächlich Anstoß für spannende Produktinnovationen sein.